Freitag, 31. Juli 2009

Das entscheidende Regulativ

Mit dem Stolz ist das immer so eine Sache. Manche haben zu viel davon, manche zu wenig, und die wenigsten verfügen über das richtige Maß. Zu meiner Schande muss ich ehrlich zugeben, dass ich zur ersten Sorte gehöre.

Daraus ergibt sich klarerweise die Frage: Wie viel Stolz ist gesund? Dabei muss man natürlich genau differenzieren, von welchem Lebensbereich man ausgeht. Nehmen wir einmal das Beispiel eines Familientreffens: Stell dir vor, du kannst den Großteil ihrer Familie nicht ausstehen und überlegst dir, wen du zu deinem Geburtstag einladen sollst. Nun gibt es auf den ersten Blick zwei Möglichkeiten; Zunächst einmal kannst du einfach alle einladen, denn das "gehört sich ja so". Oder - du lädst nur die ein, mit denen du zurechtkommst, auch wenn du am Ende nur mit fünf oder sechs Leuten feierst. Wenn du sehr stolz bist, wirst du auf Schmierentheater natürlich keine Lust haben und dich klar für die zweite Variante entscheiden. Und wenn nicht - na ja, es gibt ja noch die erste Möglichkeit. Wirklich ideal sind aber beide Szenarien nicht. Wenn du also Streit vermeiden UND nicht deinen Stolz verletzen willst, solltest du unauffällig dafür sorgen, dass unliebsame Gäste es weder zeitlich noch ortstechnisch einrichten können, zu erscheinen. Ob das den persönlichen Stolz nicht doch verletzt, hängt natürlich davon ab, wie viel Wert du auf direkte Meinungsäußerung legst.

Ich denke, an diesem Beispiel merkt man schon, wie schwer es ist, zu definieren, wie stolz man sein sollte. Schließlich spielen hierbei auch so einige weitere Faktoren eine große Rolle, die den Charakter einer Person betreffen. Zudem MUSS man manchmal auch Kompromisse machen, denn ohne Kompromisse kann kein menschliches Zusammenleben auf Dauer funktionieren. Zu viel Anspruch an sich selbst kann auch Chancen verbauen, z. B., wenn man sich in Bezug auf Hilfsangebote ziert.

Kurz gesagt: Zu viel Stolz ist definitiv ungesund, aber es ist auch verdammt schwer, festzulegen, wie viel denn nun zu viel ist.

Natürlich ist Stolz nicht nur eine Charakterfrage. Schließlich hängt es auch davon ab, wie nötig du etwas hast und wie hohe Ansprüche du an deine Umwelt und dich selbst stellst. Negativbeispiele kennt mit Sicherheit jeder: Menschen, die sich mit ausnahmslos jedem einlassen. Leute, die den Chef zuschleimen, um eine Beförderung zu ergattern. Und welche, die wirklich jeden Job annehmen, nur um überhaupt etwas Geld zu verdienen.

Freilich gibt es auch Situationen, wo man den Stolz zurückstellen sollte, weil es um etwas Größeres, Wichtigeres geht. Am gesündesten ist es wahrscheinlich, wenn man abschätzen kann, wann es Zeit ist, Profil zu zeigen und wann nicht. Dass das nur die Wenigsten können, liegt wohl daran, dass viele zu viel Angst haben, ihre Umwelt zu verärgern. Oder aber man hat Angst davor, unterschätzt und untergebuttert zu werden.

Erreiche, dass ein Mensch Angst vor etwas hat, und du kannst ihn führen wie eine Marionette. Er wird hohe Summen zahlen und überhaupt so ziemlich alles tun, damit er nichts mehr zu befürchten braucht. Dieses Prinzip ist im Grunde auf alles anwendbar. Warum haben in den Zeiten der Hexenverfolgungen Leute ihre Freunde und Nachbarn angezeigt? Warum haben unheimlich viele Gläubige von ihren Ersparnissen Ablassbriefe gekauft? Mache der Masse Angst, und sie gehorcht dir wie ein dressierter Affe. Trotzdem ist Angst natürlich eine wichtige Sache, denn wenn sich die Menschheit vor nichts fürchten würde, bräche mit Sicherheit Anarchie aus.

In diesem Sinne,
die Sojabohne.

Mittwoch, 29. Juli 2009

Was brauchst du?

Es ist unglaublich, wie wenig der Mensch zum Glücklichsein braucht. Manchmal reicht schon ein gelungener Tag mit Freunden oder ein Mirabellenbaum, um einem das zu geben, was der Mensch allgemeinhin als vollständige Zufriedenheit bezeichnet.

Ich weiß, das klingt irgendwie rührig, aber über solche Ereignisse kommt man dann doch ins Grübeln, was man wirklich braucht. Soweit ich mich erinnern kann, kam vor den Ferien in Deutsch einmal ein Gedicht dran, wo es darum ging, dass man im Prinzip nur einen Baum und ein Haus braucht, um glücklich zu sein. Das halte ich aber für Quatsch, denn ein wenig mehr s0llte es schon sein.

Natürlich muss für das Überleben gesorgt sein, also wäre so etwas wie Kleidung und Essen/Trinken in genügender Menge ein guter Anfang. Ohne Gesellschaft ist aber alles doof, also bräuchte man noch ein paar liebe Mitmenschen, das heißt, Familie, Bekannte und Freunde. Als Ergänzung wäre eventuell auch eine funktionierende Liebesbeziehung anzustreben, notfalls lässt es sich aber auch ohne gut leben, das hängt wahrscheinlich vom Grundcharakter einer Person ab.

Freilich, heutzutage bekommen wir all das geboten, und noch mehr. Unterhaltung ist uns so sehr zum Alltag geworden, dass es immer schwieriger wird, sich ihr zu entziehen. Daran ist im Prinzip gar nichts auszusetzen, denn Unterhaltung gehört zur menschlichen Natur. Schließlich MUSS es einen Gegenpol zu Stress und Alltag geben.

Kurze Zusammenfassung: Zunächst einmal braucht der Mensch Wohnung, Nahrung, Kleidung und ein soziales Gefüge, dem er sich zugehörig fühlt. Dazu kommt aber noch Unterhaltung, eine Möglichkeit also, Dinge zu erleben, die sich vom Alltag abheben.

Gut und schön. Stellen wir uns also vor, all das wäre jedem gegeben. Keiner hätte versorgungstechnische Schwierigkeiten, jeder hätte Spaß und Erholung ohne Limit. Das klingt ja ganz schön, aber noch immer fehlt etwas: der Sinn. Ohne eine Aufgabe, die einem eine besondere Bedeutung für den Rest der Menschheit verleiht, käme man sich nach einer Zeit doch sehr nutzlos vor. Bei Beamten gibt es tatsächlich eine entsprechende Berufskrankheit, das so genannte "Bore-Out-Syndrom".

Rein theoretisch müsste eine erfüllende und Sinngebende Aufgabe den Menschen also vollends zufriedenstellen. Wie gesagt, rein theoretisch, denn eigentlich ist doch alles bisher Erwähnte für viele vorhanden. Dabei klammere ich einmal ganz bewusst diejenigen aus, die an Armut, Krankheit und Arbeitslosigkeit leiden, von denen es freilich weit mehr gibt. Worauf ich eigentlich hinauswill, ist, dass oft auch welche, die alles haben, nicht glücklich sind. Fehlt diesen Leuten etwas? Ich glaube nicht. Außer vielleicht die Erkenntnis, dass ihnen nichts fehlt.

In diesem Sinne,
die Sojabohne.

Dienstag, 28. Juli 2009

"Á Rebours" - Joris-Karl Huysmans

Heute in der U-Bahn ist mir ein, nun ja, bemerkenswerter junger Mann begegnet. Ein regelrechter Adonis. Das wusste er nur leider, was mich zum eigentlichen Thema bringt. Dieser Mensch erinnerte mich sehr an die Hauptfigur von Oscar Wildes Roman "Das Bildnis des Dorian Gray". Ein junger Mann, der hoffnungslos in sich selbst verliebt ist. Der, in den falschen Händen, zu einem zügellosen Leben verführt wird. Vergiftet durch ein Buch, das "Yellow Book". Angeblich ist dieses Buch Joris-Karl Huysmans' Roman "Á Rebours" - zu deutsch "Gegen den Strich" bzw. "Gegen alle" - , nachgewiesen ist das aber nicht.

An dieser Stelle hat mich die Neugierde gepackt und ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um das vergiftete Buch zum Geburtstag - den ich vorige Woche verzeichnen durfte - geschenkt zu bekommen.

Im Prinzip hat es nicht einmal eine richtige Handlung, denn es erzählt nur von den einsamen Beschäftigungen eines frustrierten Junggesellen. Ein kranker Mann, der von der Gesellschaft seiner Zeit genervt ist und der Meinung ist, es gäbe keinen, der geistig mit ihm mithalten könnte. Er liebt das Künstliche und bildet in seinem abgelegenen Häuschen alles Natürliche nach. Frauen vergleicht er mit Dampflokomotiven, er sammelt anrüchige Gemälde und Bücher, usw. So besetzt er auch den Schild einer lebenden Schildkröte mit allerlei Juwelen und Kostbarkeiten, damit sie farblich zum Teppich passt. Dass das Tier unter dem ungehören Druck stirbt, kümmert ihn dabei wenig.

Hin und wieder erinnert er sich an sein früheres Leben: seine melancholische Mutter, die sich stets träumend in einer Art Dunkelkammer aufhielt. Diverse Liebschaften und Abenteuer, darunter Frauen und Männer jeden Alters und jeder Wesensart. Ehemalige Cliquen. Und nicht zuletzt psychologische Streiche, die er seinen Mitmenschen ohne deren Wissen spielte, um seine geistige Überlegenheit sich und seiner Umwelt zu beweisen. Vom Rest der Welt will er so wenig wie möglich sehen, aber nach einer Zeit geht er an der Einsamkeit kaputt und sein immer schlechter werdender Zustand zwingt ihn, in die Zivilisation zurückzukehren.

Oscar Wilde und Mellarmé sollen schon davon fasziniert gewesen sein und für Ersteren war es sogar eine Art Bibel. Für Huysmans selbst bedeutete es die Entwicklung vom Naturalisten zum Symbolisten, und von der Bevölkerung wurde es als Beschreibung des damaligen Zeitgeistes, des Fin de siécle, aufgefasst.

Auch ich war fasziniert von diesem Buch, ohne recht zu wissen, warum. Vom ersten Wort an hat es mich gefesselt und trotzdem hatte ich am Ende das Gefühl, den Sinn und Zweck des Ganzen nicht wirklich verstanden zu haben. Laut "Das Bildnis des Dorian Gray" hat das besagte "Yellow Book", der "französische Roman", eine ähnliche Wirkung bei Dorian Gray hervorgerufen.

Ich kann allerdings nicht verstehen, was an "Á Rebours" anstößig oder verführend sein soll. Vielleicht liegt das daran, dass wir heutzutage andere Standards gewohnt sind, z. B. detailliertere Beschreibungen anstößiger Handlungen. Zudem ist mittlerweile vieles, was früher als unschicklich empfunden wurde, weitgehend akzeptiert.

Alles in allem ist "Gegen den Strich" ein grandioses, faszinierendes Buch, das jeder einmal gelesen haben sollte. Dieser junge Mann in der U-Bahn würde dadurch zwar gewiss nicht mehr verführt werden, aber das bringt so ein enormer zeitlicher Unterschied eben mit sich.

In diesem Sinne,
die Sojabohne.

Sex sells

Vor einiger Zeit, ich glaube, es war vor ca. zwei Jahren, bekam ich eine sehr interessante E-Mail. Das Interessante daran war aber nicht der Inhalt, sondern eher die Tatsache, wie solche Inhalte überhaupt legal verschickt werden konnten.

Spam bekommt man so gut wie jeden Tag, Penisvergrößerungen und Traumreisen sind Gang und Gebe. Auch knapp bekleidete Frauen sind da ganz "normal", man kann der Sexualität heutzutage ja gar nicht mehr entkommen. Wenn in einer banalen Spam-Mail aber pornographische Bilder von jungen Mädchen zu sehen sind, zwischen 7 und 15 vielleicht, dann frage ich mich ernsthaft, womit DAS gerechtfertigt werden soll. Eine erwachsene Frau kann freilich selbst entscheiden, wie viel welcher Personenkreis wo von ihr zu sehen bekommt. Aber bei Kindern geht so etwas ja nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen die Menschenwürde!

Gewöhnlich bin ich kein großer Fan der hiesigen Gesetze - z. B. was das Arbeitsrecht oder die Überwachung in der Öffentlichkeit angeht - aber Gesetze zur Kinderpornographie können gar nicht streng genug eingehalten werden!

Jedenfalls taten mir diese Kinder Leid. Es muss ein grauenhaftes Schicksal sein, gezwungen zu werden, sich vor der halben Welt auszuziehen. Vielleicht wissen sie auch nicht, dass ihre Bilder in alle Welt geschickt werden, wer weiß, aber es ist gewiss schlimm genug, sich überhaupt gegen den eigenen Willen halbnackt fotographieren zu lassen. Einmal ganz davon abgesehen, dass man nicht wissen kann, was noch alles mit ihnen angestellt wurde!

Vielleicht wirkt eine solche Anklage der Verhältnisse heutzutage deplatziert. Ich meine, man kann doch überall im Internet solche Bilder herunterladen. Alle pornographischen Seiten können die Behörden gar nicht aufstöbern und hinauskicken, vor allem, weil viele davon über US-amerikanische Anbieter laufen. Dort gibt es anscheinend weniger strenge Vorgaben für den Inhalt von Internetseiten.

...sodass es wieder einmal auf eine Anklage unserer gesamten Gesellschaft hinausläuft. Man braucht ja nicht einmal das Haus zu verlassen, um sich tagtäglich mit nackter Haut konfrontiert zu sehen, und draußen wimmelt es sowieso davon. Auf Plakaten, in Filmen und in eigentlich allen Medien sind die provisorischen 10 bis 20 Prozent Sex enthalten.

Wahrscheinlich kann man den Medien nicht einmal einen Vorwurf daraus machen, denn letztlich versuchen die nur, bestimmte Produkte bestmöglich zu verkaufen. Das ist eben die Devise unserer Zeit. Alles soll besser, schneller und nachhaltiger an den Kunden gebracht werden, Profit. Sicher, das war irgendwie schon immer so - aber jetzt gibt es die effizientesten Mittel dazu. Und der Sexualtrieb ist nun einmal einer der stärksten, also wird er auch für das moderne Marketing genutzt.

Man müsste es eigentlich mit Rousseau halten: "Zurück zur Natur!"

Oh brave new world, that has such people in it...

In diesem Sinne,
die Sojabohne.