Montag, 29. August 2011

Definiere Frau

In dem Buch "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" gibt es ein Kapitel, in dem es um das Wort "Frau" geht, genau genommen wird die Bedeutung dieses Wortes anhand von den Ansichten zweier Leute untersucht. Für eine Figur, Sabina, ist das Frausein ein Schicksal, sie ist nun mal geschlechtlich gesehen weiblich, und damit muss sie sich abfinden. Für die andere Figur, Franz, ist das Frausein ein Wert. Er achtet in seinen weiblichen Mitmenschen die Frau in ihnen, u.a. in seiner Frau. Für ihn ist es nicht jede Frau wert, eine Frau genannt zu werden.

Ich denke, das zeigt, wie viele Definitionen dieses Wortes es gibt. Heutzutage ist glaube ich so, dass viele Menschen in dem Wort Frau eine simple Geschlechtsbezeichnung sehen, aber trotzdem unbewusst Unterscheidungen vornehmen zwischen "richtigen" Frauen und welchen, die eigentlich keine sind. Mal ein Beispiel: ich habe eine Bekannte, deren Beziehungsstatus sich ständig ändert und die ziemlich leicht zu haben sein scheint. Sie ist zwar rein rechtlich erwachsen, folglich müsste sie eine Frau sein; und doch habe ich nicht das Gefühl, eine Frau vor mir zu haben, wenn ich sie sehe. Weil ihre Ausstrahlung eher die eines Mädchens ist.

Auch ich habe nicht das Gefühl, eine Frau zu sein, ohne recht zu wissen, warum. Ich habe anscheinend meine Vorstellungen, was eine Frau ausmacht, und ich dachte bis gestern, es sei so gut wie sicher, dass der Großteil meines Umfelds da ähnliche Maßstäbe ansetzt. Wie gesagt, bis gestern. Denn gestern hat mein Freund mir ein im Grunde sehr großes Kompliment gemacht, nämlich, ich sei die beste Frau, die er sich vorstellen könne.

Dass er in mir eine Frau sieht, hat mich auf den Gedanken gebracht, dass ich nach den Maßstäben anderer Leute durchaus als Frau bezeichnet werden könnte, ebenso meine Bekannte und ebenso jedes x-beliebige weibliche Geschöpf. Weil es offenbar alles andere als geklärt ist, wie eine Frau nun zu definieren ist.



Donnerstag, 18. August 2011

"Die Wolfsfrau"

So, nachdem ich meine weitere Zukunft soweit geklärt habe (wenigstens für die nächsten 12 Monate), kann ich mich wieder mit allgemeineren Themen beschäftigen. :)

Meine Nachbarin hat mir kürzlich ein Buch empfohlen und auch gleich ausgeliehen, "Die Wolfsfrau". Darin geht es um die Frau an sich, welche Handlungsmotive sie hat usw. Z.B. welchen Einfluss die Mutter auf die Psyche der Tochter hat, erklärt am Märchen vom hässlichen Entlein. Oder die dunkle, zerstörerische Macht innerhalb von jeder Frau, erklärt am Märchen "Blaubart". Das mit der Rolle der Mutter fand ich größtenteils nachvollziehbar, aber mit Blaubart habe ich so meine Schwierigkeiten.

Der Autorin zufolge symbolisiert die Kammer mit den toten Frauen drin die Masse an Leichen, die jede Frau im Keller hat. Also Kindheitsträume, die man verdrängt hat oder kreative Fertigkeiten, die man nie ausgelebt hat. Durch das Öffnen der Kammer wird die Frau sich ihrer verdrängten Fähigkeiten bewusst, versucht aber (um Schmerz zu vermeiden), das Gesehene wieder zu vergessen. Geht aber nicht, das zeigt sich an dem Bild des Blutes, das nicht mehr vom Schlüssel abzuwaschen ist. Die Neugier steht hierbei für die weibliche Kreativität, die vom Mann so oft als negativ dargestellt werde. Und Blaubart steht für die zerstörerische Kraft, mit der die Frau erst kämpfen muss, bevor sie ihre verborgenen Fähigkeiten endlich ausleben kann. Blaubart sei die Kraft in jeder Frau, die all das, was die Frau erstrebt, insgeheim sabotiert. In vielen Märchen und Träumen werde dieses Element durch den starken, rettenden Prinzen sowie den stürmischen, männlichen Liebhaber symbolisiert. Und solche Träume hätte angeblich jede Frau mindestens einmal in ihrem Leben.

Aha, dachte ich mir. Tatsächlich ist mir all das zu extrem, und so schlecht und bösartig schätze ich die Männerwelt nun auch nicht ein, dass sie systematisch die Kreativität der Frau unterdrücken will. Solch einen Traum habe ich auch noch nie gehabt, ich sehne mich (entgegen der Aussage der Autorin) durchaus nicht nach einem starken, brutalen Liebhaber á la Blaubart. Dass mit den verschütteten Kindheitsträumen und kreativen Fähigkeiten sehe ich aber ein. Es kommt bei vielen Leuten vor, dass sie aufgrund von den entgegengesetzen Erwartungen ihrer Umwelt ihre Träume verdrängen und nie ausführen - allerdings besteht diese Umwelt nicht nur aus bösen, missgünstigen Männern.

Ich bin dann doch ins Grübeln gekommen. Die Aussage "In jeder Frau gibt es ein dunkles Element, das das, was die Frau möchte, sabotiert" ist vielleicht nicht grundfalsch. Was ich erstrebe, ist absolute Harmonie, genau wie meine Mutter (so falsch ist auch die Mutter-Theorie in diesem Buch nicht). Die erreiche ich aber nicht, weil mein Wesen das nicht zulässt (um Harmonie in meinem Umfeld immerzu zu erhalten, bin ich einfach zu launisch). Aber der tiefere Grund, warum es nicht immer so läuft, wie ich will, wird wohl sein, dass ich Angst habe, die Harmonie könnte aufhören, vorhanden zu sein. Und die Angst wäre dann quasi mein "dunkles Element".

Na ja, aber genau genommen ist alles, was in diesem Buch steht, nur Küchenpsychologie mit romantischer Märchenuntermalung und einem Schuss Schmeichelei für das weibliche Geschlechts-Ego. Die Grundthese lautet: wenn die Frau zu ihren kreativen Fähigkeiten findet (und somit ihren Blaubart besiegt) sowie sich von männlichen Erwartungen freimacht, ist sie die Wolfsfrau.
Zugegeben, meine Nachbarin ist wirklich jemand, der der Wolfsfrau nahekommt. Und sie meinte, dieses Buch habe sie wahnsinnig inspiriert und ihr Kraft gegeben. Ist schon bewundernswert, so selbstständig und autark zu sein wie sie. Sie ist einer der wenigen glücklichen und ausgefüllten Singlefrauen, die ich kenne.

Aber für mich ist ein anderes Buch inspirierend und befreiend und zeigt mir einen absolut küchenpsychologie-losen Weg, mich selbst zu definieren. Nicht als Frau, sondern als Mensch.
--> "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"

Nun ja, jedem das seine. :)